Artikel • 21.05.2025
Zollreform: Europa plant den Zoll der Zukunft
Trends und Perspektiven
Die EU wird in Zukunft zolltechnisch gesehen näher zusammenrücken. Das Fundament bildet die EU-Zollreform. Der große Wurf ist erkennbar, auch wenn das Projekt noch am Anfang steht und sich die Zeitschiene über viele Jahre erstrecken wird. Als Zollsoftware-Anbieter begleitet DAKOSY diesen Prozess und bringt ihre Erfahrung in Anhörungen und Arbeitskreise ein.
Den ersten Aufschlag gab es Mitte 2023 mit dem Verordnungsentwurf für die EU-Zollreform. Aktuell werden die Reformvorschläge im Parlament und Rat der Europäischen Union diskutiert. Doch nicht nur dort beschäftigen sich die Gremien mit dem EU-Langfristprojekt. Für DAKOSY verfolgt Zollexperte Lutz Hagen die Entwicklung. Aus seiner Sicht stimmt die Richtung: „Perspektivisch wird es mit der Umsetzung dieses Mammutvorhabens langfristig für alle Parteien – die Wirtschaftsbeteiligten und Zollbehörden – einfacher, schneller und effizienter. Das ganze System wird unter sicherheitspolitischen und abfertigungstechnischen Aspekten neu aufgestellt.“ Allerdings passiert dies nicht von heute auf morgen. Im Gespräch sind Übergangszeiträume von zehn bis fünfzehn Jahren.
Ein digitales Portal
Im Mittelpunkt der Reform steht ein datengesteuerter Ansatz mit einer EU-Zolldatenplattform (EU Customs Data Hub), die von einer eigenen EU-Zollbehörde gemanagt wird. Das Fernziel ist, dass alle Wirtschaftsbeteiligten in der EU die Informationen zu ihren Ein- und Ausfuhren, die sie bisher an ihre nationalen Zollbehörden übermitteln, direkt über diesen einzigen Kanal bereitstellen.
Aktuell haben es die Importeure der EU mit 27 nationalen Zollverwaltungen und mehr als 111 unterschiedlichen Schnittstellen und IT-Systemen zu tun. In den kommenden Jahren wird es darum gehen, den neuen Rahmen konkreter auszugestalten. Hagen nennt Beispiele: „Die Grenzen des Datenzugriffs müssen näher definiert werden. Es gilt, die nationalen Mehrwertsteuersysteme zu harmonisieren. Unterschiedliche Einfuhrbedingungen bedürfen der Angleichung.“ Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Europaweit wachsen
Für DAKOSY eröffnet sich durch die Zollreform die Chance, europaweit zu wachsen. „Wenn in der EU einheitliche Regeln für die Verfahren gelten, können wir den Wirtschaftsbeteiligten in den verschiedenen Mitgliedsstaaten unsere Zollsoftware zur Verfügung stellen. Durch unsere Plattformen haben wir eine hohe Kompetenz aufgebaut, Daten zwischen vielen Beteiligten auszutauschen und zusammenzuführen“, bewertet DAKOSY-Vorstand Simon Lembke die Auswirkungen auf das eigene Geschäftsmodell.

Vorgeschmack im Export
Einen ersten Schritt in Richtung zentraler Zollabwicklung gibt es bereits im Export. Die EU hat den gesetzlichen Rahmen geschaffen, dass bei Ausfuhrerklärungen die Ausfuhrzollstelle und die Gestellungszollstelle in verschiedenen EU-Ländern liegen dürfen. Dänemark nutzt diesen neuen Spielraum als eines der ersten Länder und hat diese Möglichkeit in sein nationales Zollsystem integriert. Den praktischen Nutzen nennt Hagen: „Ein in Hamburg ansässiges Unternehmen kann beispielsweise seine Ausfuhrerklärung in der Hansestadt abgeben und die Ware dann physisch über das dänische Odense verschicken. Das dänische und das deutsche Zollsystem tauschen die entsprechenden Daten für die Anmeldung und die Kontrolle aus.“ Auch wenn dies nur für einen kleinen Teilbereich Erleichterungen bringt, gibt es einen Vorgeschmack auf eine stärkere digitale Zusammenarbeit.
Die EU-Kommission geht davon aus, dass sich durch die EU-Reform die Kosten und die Dauer der Zollabfertigung für die Wirtschaftsbeteiligten erheblich verringern. Papiere und Formalitäten werden auf ein Mindestmaß reduziert, und die Zollabgaben werden nicht mehr bei der Einfuhr sondern in regelmäßigen Abständen entrichtet. Durch die vorgeschlagenen Vereinfachungen würden die Unternehmen ihre Befolgungskosten um bis zu 2,7 Milliarden Euro jährlich senken können, erwartet die EU-Kommission. Die EU-Zolldatenplattform soll auch die einzelnen Mitgliedsstaaten finanziell entlasten. Nach Berechnungen der EU lassen sich durch die zentrale IT-Entwicklung und Verwaltung jährlich bis zu 2 Milliarden Euro an IT-Entwicklungs- und Betriebskosten einsparen.
Bei ICS2 Logik erstmals umgedreht
Zwar noch keine EU-Zolldatenplattform aber erstmals ein zentraler Eingangspunkt für den Datenaustausch existiert mit dem Shared Trader Interface (STI). Dieses wird von der EU-Kommission betrieben und für das Import Control System der EU (ICS2) für Sicherheit und Gefahrenabwehr genutzt. „Es ist das erste Verfahren, bei dem die EU das Prinzip umgedreht hat – weg von einem Ringsystem mit nationalen Zollstellen hin zu einem zentralen EU-System“, zeigt Lembke auf. Er verdeutlicht: „In der Vergangenheit ging die ICS-Meldung zuerst an die nationale Zollstelle beim EU-Grenzeintritt. Über Schnittstellen wurden alle nachfolgenden Eingangszollstellen informiert. Mit dem STI besteht jetzt nur noch eine digitale Meldestelle. Von dort aus werden die relevanten Informationen an die nationalen Zollsysteme weitergeleitet.“
Für DAKOSY hat sich diese Veränderung positiv ausgewirkt. Hagen berichtet: „Mit dem STI konnten wir auf einen Schlag 27 EU-Länder mit unserer Software bedienen. Besonders gut aufgenommen wird von der Kundenseite der technische und inhaltliche Support, den wir unseren Kunden bieten.“ In diesem Bereich sieht DAKOSY auch im Hinblick auf die EU-Zollreform eine ihrer Kernkompetenzen und einen großen Mehrwert für die Wirtschaftsbeteiligten. Die EU schaffe mit dem digitalen Zollsystem einen Rahmen, es gehöre aber nicht zu ihren Aufgaben, die Beratung für den Endverbraucher zu übernehmen, ordnet Hagen ein. Dafür werde es Unternehmen wie DAKOSY brauchen, die sowohl die Technik beherrschen als auch die logistischen Prozesse kennen.
Zudem ist zu erwarten, dass die EU immer mehr Informationen, Daten und Eigenschaften über die Sendungen verlangen wird. Auch Aufgaben, die originär nichts mit dem Zoll zu tun haben, könnte dieser künftig als Kontrollinstanz übernehmen. Denn eine Zielsetzung der EU-Kommission ist es, die Zollbehörden auch besser auszustatten, um die gemeinsamen strategischen Prioritäten, wie die globalen Menschenrechte und die Bekämpfung des Klimawandels, aufrechtzuerhalten. Die Schlussfolgerung ist für Lembke: „Die Importseite muss sich darauf vorbereiten, dass der Zoll zusätzliche und genauere Daten über Lieferkettenbeteiligte abfragt. Das bedeutet, Daten müssen verarbeitbar bereitgestellt werden, so dass sie strukturiert abgerufen und digital weiterverarbeitet werden können.“