
Interview • 21.05.2025
„Mitarbeiterschutz steht an oberster Stelle“
Interview mit Mirja Nibbe, Geschäftsführerin CMA CGM Deutschland
CMA CGM ist eine von über 20 Reedereien, die das Konzept der Secure Release Order (SRO) in den deutschen Seehäfen einführt. Das französische Schifffahrts- und Logistikunternehmen hat seine Anbindung bereits fertiggestellt. Im Interview merkt man Mirja Nibbe, Geschäftsführerin CMA CGM Deutschland, die Vorfreude an. Sie erwartet Effizienzsteigerungen bei der operativen Abwicklung sowie ein besseres Kundenerlebnis und bewertet die Lösung auch im internationalen Vergleich als beispielgebend.
Was bedeutet die Einführung der Secure Release Order (SRO) aus Sicht einer Reederei?
Für uns steht der Schutz unserer Mitarbeitenden an oberster Stelle. Beim Containerimport war der für die Freistellung maßgebliche Pin-Code zunehmend in das Visier der organisierten Kriminalität geraten. Mit der SRO ist es jetzt gelungen, einen möglichen Angriffspunkt aus dem Prozess zu eliminieren. Die digitale Übertragung der Abholberechtigung zwischen den beteiligten Parteien sorgt dafür, dass jede Übergabe transparent und nachvollziehbar erfolgt und die Identität des finalen Abholers klar dokumentiert und jederzeit überprüfbar ist.
Zusätzlich sichern wir mit der SRO die Transportbeteiligten ab. Das bedeutet, dass alle Partner in der Transportkette – darunter Reedereien, Terminals, Speditionen und Transportunternehmen – in den digitalen Kommunikationsprozess eingebunden sind. Die Datenübertragung erfolgt über die neutrale IT-Plattform German Ports, die den Zugang zu sensiblen Informationen schützt und Manipulationen verhindert.
Warum hat das Thema so rasant an Fahrt gewonnen und diesen hohen Handlungsdruck erzeugt?
Die Anzahl der Drogenfunde im Hamburger Hafen ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Die Situation spitzte sich weiter zu, nachdem die Westhäfen, die vormals die Eintrittspforte Nummer Eins in Nordeuropa für die organisierte Kriminalität waren, ihre Sicherheitsmaßnahmen erhöhten. Als international agierendes Unternehmen haben wir einen ganzheitlichen Blick auf die europäischen Häfen. Die aktuellen Herausforderungen haben für uns deutlich gezeigt, dass auch die deutschen Häfen dringend handeln müssen.

In welcher Form hat sich CMA CGM bei der Konzeptionierung und Einführung engagiert?
Allen Beteiligten – sowohl den Behörden als auch der Hafenwirtschaft – war schnell klar, dass wir ein hafenübergreifendes Sicherheitskonzept brauchen, um der organisierten Kriminalität wirksam gegenüberzutreten. Ich habe mich persönlich in den entsprechenden Gremien engagiert und war positiv überrascht, wie schnell wir diesen verpflichtenden Prozess über die Grenzen der Bundesländer hinweg gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Der festgelegte Starttermin zum 1. Oktober dieses Jahres erhöht zusätzlich den Handlungsdruck. In die Konzeption und Einführung der SRO hat sich CMA CGM mit seiner fachlichen und technischen Expertise, seinen innovativen Technologien und internationalen Erfahrungen eingebracht.
Als Reederei haben Sie Einblicke in die Sicherheitskonzepte vieler Häfen. Was macht das deutsche Konzept besonders?
Das deutsche Konzept der SRO unterscheidet sich von den Sicherheitskonzepten anderer europäischer Häfen durch mehrere Aspekte. Der größte Vorteil liegt darin, dass die Lösung einheitlich für alle deutschen Seehäfen gilt. Durch den hafenübergreifenden Standard wird der Arbeitsaufwand minimiert, da der Prozess an jedem Standort der gleiche ist – unabhängig davon, ob über Hamburg, Bremerhaven oder Wilhelmshaven importiert wird.
Besonders an German Ports ist auch die Granularität der Abholrechte. Das „digitale Recht zur Abholung“ kann nur auf personalisierter Ebene von Fahrern, die einem Unternehmen zugewiesen sind, ausgeführt werden. Dies bedeutet, dass die Berechtigung zur Abholung eines Containers auf der Ebene der Spedition oder des Transportunternehmens liegt.
"Diese Granularität hat eine besondere Sicherheitsqualität, da jeder Schritt im Freigabeprozess lückenlos nachvollziehbar und autorisiert ist.“

Wie verändern sich Ihre Prozesse durch die SRO?
Die größte Veränderung betrifft die technische Anbindung und den Transfer der Daten für unsere Kunden. Früher erfolgten die Freistellungen oft manuell vor Ort am Terminal, beispielsweise durch die Eingabe des Pin-Codes auf Containerebene. Dieser Prozess läuft künftig komplett digitalisiert im Hintergrund über die sichere IT-Plattform German Ports ab. Als Folge daraus erhoffen wir uns in der operativen Abwicklung zusätzlich Effizienzsteigerungen bei allen Beteiligten. Der administrative Prozess wird automatisiert. Das spart Zeit, reduziert Fehlerquoten und erhöht die Produktivität.
Was ändert sich für Ihre Kunden und was müssen diese beachten?
Die Einführung der SRO bringt mehrere Vorteile für unsere Kunden mit sich. Dies hat ein Test mit Kunden gezeigt. Das Kundenerlebnis wird entscheidend verbessert. Denn der Nutzer ist nicht mehr auf das manuelle Verfahren angewiesen, das mit Aufwand verbunden war und Fehlerquellen beinhaltete.
Entscheidend für einen erfolgreichen Einführungsprozess ist das Mitwirken der Kunden an der Umsetzung des Sicherheitskonzepts. Wir empfehlen allen Kunden, sich zeitnah für German Ports zu registrieren und frühzeitig die Voraussetzungen für die Teilnahme zu schaffen damit es keine Überraschungen gibt zum Starttermin, der für alle gesetzlich vorgeschrieben ist.
CMA CGM ist bereit für die SRO und hat die Anbindung bereits in dem Set-up, wie es ab dem 1. Oktober verpflichtend wird, auf der technischen Ebene umgesetzt.
Die SRO ist eingebettet in das Sicherheitskonzept von CMA CGM. Wie greift dies ineinander?
Die IT-Sicherheit genießt bei CMA CGM im Zusammenhang mit der Digitalisierung der SRO eine Top-Priorität. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Cyber-Sicherheit. Bei der SRO geht es um die Übermittlung von verschlüsselten Daten, die auch für die organisierte Kriminalität interessant sind. Wir verfügen über eine eigene Abteilung, die unsere Cyber-Sicherheitsstrategie kontinuierlich weiterentwickelt und unsere digitalen Assets und Kundeninformationen schützt.
Neben der Cyber-Sicherheit liegt ein Schwerpunkt auf der physischen Sicherheit der Schiffe und allen landbasierten Einrichtungen wie beispielsweise Büros und Depots. Dies umfasst Maßnahmen zur Verhinderung von Piraterie, Schmuggel und anderen kriminellen Aktivitäten. Ein weiterer Fokus liegt auf der rechtlichen Konformität. Als Unternehmen mit 160.000 Mitarbeitenden in 177 Ländern mit unterschiedlichsten nationalen Regelwerken gewährleisten wir über regelmäßige Schulungen, Kampagnen und Informationen, dass jeder Mitarbeitende immer auf dem aktuellen Stand ist. Auch in Bezug auf die SRO wird es entsprechende Trainings geben.
Welche anderen Digitalisierungsthemen stehen bei CMA CGM oben auf der Agenda?
Wir treiben das Thema Künstliche Intelligenz stark voran. Dazu arbeiten wir mit verschiedenen Start-ups an mehreren Standorten strukturiert weltweit zusammen. Ein Dach dafür bildet unser eigenes internationales Gründerzentrum ZeBox, das wir an mehreren Standorten in der Welt betreiben. Gemeinsam mit den Start-ups beleuchten wir gezielt, wie wir unsere Prozesse, Informationsflüsse und die Kundenzufriedenheit digital unterstützt weiter verbessern können. Vielversprechende KI-Tools sind bereits intern in der Testphase.
Ganz oben auf der Agenda steht die Optimierung der digitalen Transportabwicklung. Wir wollen es den Kunden so einfach wie möglich machen, Waren mit uns zu bewegen. Dazu entwickeln wir stetig neue Services und Angebote für unsere Kunden. Ein aktuelles Beispiel ist der online buchbare „exclusive Concierge“. Dieser informiert Kunden 24/7 über den Transportablauf für jede einzelne Buchung und steht für Rückfragen auch 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche zur Verfügung.

Über Mirja Nibbe
Mirja Nibbe ist eine international erfahrene Führungskraft mit einer nachgewiesenen Erfolgsbilanz in der maritimen Industrie. Mit mehr als 25 Jahren Erfahrung in der Schifffahrt spiegelt Nibbes beruflicher Werdegang ihr großes Engagement für die Schifffahrt wider. Sie hat in Deutschland, China und Singapur gelebt und ihre internationale Erfahrung in einigen der wichtigsten Logistikzentren genutzt. Als Geschäftsführerin von CMA CGM Deutschland leitet Mirja Nibbe die Geschäftsaktivitäten des Unternehmens in Deutschland, der Schweiz, Österreich, der Slowakei und der Tschechischen Republik.
Mirja Nibbes Leidenschaft für maritime Innovation und Nachhaltigkeit prägt auch weiterhin ihre Führungsrolle bei CMA CGM und positioniert das Unternehmen als führendes Unternehmen in der sich wandelnden Schifffahrtslandschaft. Sie nimmt aktiv an Kongressen und Veranstaltungen zum Thema Nachhaltigkeit teil und pflegt Partnerschaften mit anderen Branchenführern, um nachhaltige Praktiken in der gesamten Lieferkette zu fördern. Sie hat einen Bachelor-Abschluss in internationaler Wirtschaft von der Hamburg School of Business Administration und ist ausgebildete Schifffahrtskauffrau.
Über CMA CGM
Unter der Leitung von Rodolphe Saadé ist die CMA CGM-Gruppe (die „Gruppe“) ein weltweit führender Anbieter von See-, Land-, Luft- und Logistiklösungen. CMA CGM diversifiziert auch in den Mediensektor. Als drittgrößtes Schifffahrtsunternehmen der Welt, gemessen an der Kapazität, bedient CMA CGM mit einer Flotte von mehr als 620 Schiffen über 400 Häfen auf fünf Kontinenten. Zusammen mit ihrer Tochtergesellschaft CEVA Logistics gehört die Gruppe zu den fünf größten Logistikanbietern weltweit.
Die CMA CGM-Gruppe engagiert sich für die Energiewende im Seeverkehr und ist ein Pionier bei der Nutzung alternativer Kraftstoffe. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 einen kohlenstofffreien Betrieb zu erreichen.
Die Gruppe ist in 177 Ländern vertreten und beschäftigt weltweit 160.000 Mitarbeiter, davon 19.000 in Frankreich und fast 6.000 in Marseille, wo sich der Hauptsitz befindet.