Interview • 21.05.2025

„Pin-Code-Betrug“ wird auf null reduziert

Interview mit Oliver Erdmann vom Hafensicherheitszentrum

Im Rahmen der Einführung des digitalen Freistellungsprozesses ist DAKOSY im regelmäßigen Austausch mit dem Hafensicherheitszentrum. Dieses wurde vor knapp einem Jahr gegründet, um dem Drogeneinfuhrschmuggel über den Hamburger Hafen gezielt zu begegnen. Im Interview gibt Oliver Erdmann vom Hafensicherheitszentrum einen Einblick in die Aufgaben und die Rolle für die Hafenwirtschaft.

Wann wurde das Hafensicherheitszentrum gegründet und aus welcher Motivation heraus?

Der prominent besetzte Hafensicherheitsgipfel im Oktober 2023 in Hamburg war so etwas wie die Geburtsstunde des Hafensicherheitszentrums. Dort wurde es als eine der Maßnahmen im Rahmen der „Allianz Sicherer Hafen“ beschlossen. Ziel war es, durch eine engere Vernetzung und einen zentral koordinierten Informationsaustausch die Kräfte im Kampf gegen die organisierte Kriminalität zu bündeln. Bereits ein halbes Jahr später konnten wir das Hafensicherheitszentrum am 31. Mai 2024 eröffnen. Es nimmt Querschnittsaufgaben wahr, unter anderem mit Vertretern des Zolls, des Landeskriminalamtes, der Wasserschutzpolizei und der Hamburg Port Authority. Unsere Tätigkeit fußt auf drei Säulen: Ermittlungsunterstützung, Ansprechpartner für die Hafenwirtschaft, unter anderem bei Präventionsmaßnahmen, sowie Lagedarstellung und Analyse.  

Welche Hinweise haben Sie auf einen starken Anstieg des Drogenschmuggels?

In 2023 sind im Hamburger Hafen zirka 35 t Kokain sichergestellt worden. Wobei diese Zahl wenig aussagt, da wir es mit einem großen Dunkelfeld zu tun haben. Und doch gibt es einen Trend: Insgesamt hat sich die sichergestellte Menge im Hamburger Hafen in den vergangenen fünf Jahren mehr als verfünffacht. Das ist ein Indikator dafür, dass wir einen massiven Anstieg des Kokain-Einfuhrschmuggels haben. Ein zweiter Indikator sind die immer größeren Einzelsicherstellungen, beispielsweise die 16 Tonnen Kokain, die der Hamburger Zoll im Februar 2021 sicherstellen konnte.

Was kann die Digitalisierung des Importprozesses (Secure Release Order) aus Ihrer Sicht in diesem Zusammenhang leisten?

Bisher wurde mit der vom Reeder generierten Freistellreferenz eine Abholung ausgelöst. Dieser Pin-Code konnte an diverse Stellen weitergeleitet werden. In der Konsequenz war schwer nachvollziehbar, wer die Referenz erhalten und genutzt hat. Und final fand keine Überprüfung statt, ob der Abholer des Containers berechtigt war. Um diese Schwachstelle zu schließen, war aus unserer Sicht die Anpassung des Hamburgischen Hafensicherheitsgesetzes notwendig, welches die Hamburger Bürgerschaft inzwischen auch beschlossen hat. Der digitale Freistellungsprozess wird zukünftig somit an den Containerterminals gesetzlich gefordert. Die Secure Release Order setzt diese neuen Vorgaben konsequent um, sodass die erkannten Schlupflöcher ganzheitlich geschlossen werden. Wir haben uns dafür engagiert, dass mehr Sicherheit in den Freistellungsprozess gelangt und begrüßen die konsequente Digitalisierung. Künftig findet immer ein Abgleich statt, ob der Abholer berechtigt ist. Zusätzlich kann nur ein Akteur das Abholrecht innehaben. Das erhöht die Sicherheit um ein Vielfaches und der sogenannte „Pin-Code-Betrug“ wird auf null reduziert.

Wie begleitet des Hafensicherheitszentrum die Einführung der digitalen Freistellung?

Unsere Rolle sehen wir in der fachlichen Beratung. Wir kennen durch unsere Ermittlungen die vorhandenen Schwachstellen, wie beispielsweise den Pin-Code-Betrug, durch den es wiederholt gelang, mit Kokain kontaminierte Container unberechtigt abzuholen. Polizei und Zoll nehmen gleichermaßen an den Besprechungen teil. Wir beraten, wie man diese Lücken wirksam schließen oder zumindest eindämmen kann. Den Austausch mit der Wirtschaft sehen wir als ständigen Prozess, denn auch die organisierte Kriminalität wird versuchen, sich anzupassen.

Oliver Erdmann, Hafensicherheitsszentrum, Fotonachweis: Philipp Meuser

Welche weiteren Hafenprozesse müssen unter dem Aspekt Sicherheit neu gedacht werden?

Beispielsweise kommt den Terminals ebenfalls eine hohe Bedeutung zu. Im Austausch mit den Betreibern unterstützen wir dabei, mehr Nachvollziehbarkeit zu etablieren. Ein wichtiger Schritt ist das neue digitale Zugangssystem für Lkw-Fahrer, das die physische Truckercard ablöst. Auch schauen wir auf die Verbesserung der Perimetersicherung, damit keine Unberechtigten auf die Terminals kommen. Mit Awareness-Schulungen sensibilisieren wir zusammen mit der Hafenwirtschaft außerdem die Mitarbeitenden.

Inwieweit ist es wichtig, dass sich das Denken in den Köpfen ändert – braucht es ein anderes Bewusstsein in der Hafenwirtschaft?

Neben allen technischen und digitalen Maßnahmen geht es natürlich auch um den Mitarbeiterschutz. Die Menschen dürfen keine Angst haben, im Hafen zu arbeiten. Genau dort setzen unsere Awareness-Schulungen an. Wir haben inzwischen etwa 2.000 Mitarbeitende dafür sensibilisiert, wie sie sich effektiver schützen können. Unsere Schlüsselbotschaft lautet, sich abzugrenzen, wenn man von Kriminellen angesprochen wird. Ein klares „NEIN“ sorgt in der Regel dafür, dass man in Ruhe gelassen wird.

Was können Unternehmen noch tun, um ihre Mitarbeiter und das Geschäft wirksamer zu schützen?

Es ist wichtig, dass die Unternehmen aus einer eigenen Motivation und Verantwortung heraus in den Mitarbeiterschutz und damit in die Zukunft ihrer Firma investieren. Denn es geht darum, sichere und damit attraktive Arbeitsplätze in der Hafenwirtschaft zu erhalten. Dazu gehören physischer Schutz wie Zäune, technischer Schutz – beispielsweise Videoüberwachung, digitaler Schutz in Form von nachvollziehbaren Prozessen und begrenzten Zugriffsrechten. Ein zentraler Aspekt ist aber auch eine „innere Resilienz“, die durch Awareness, Prävention und betriebliche Unterstützung von gefährdeten Mitarbeitern erreicht werden kann.

Gibt es einen Grundsatz, der sich aus Ihrer Arbeit auf die Wirtschaft übertragen lässt?

Wir arbeiten bei der Polizei nach dem Prinzip: Was ich nicht weiß, macht mich unangreifbar. Übertragen auf die operativen Logistikprozesse bedeutet dies: Wenn Mitarbeiter nur Einblick in die für sie relevanten Abläufe haben, ist das mit der beste Schutz.

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