Artikel • 03.06.2024

Mehr Tempo für den E-Commerce

Digitalisierung "at its best"

Der aktuelle E-Commerce-Boom fordert ein neues Mindset für Luftfracht-Prozesse. Dafür sorgen junge Onlinemarktplätze wie Temu und Shein. Ihr Konzept des Direkthandels ist auf eine schnelle Luftfracht angewiesen.

Für die neu hinzugekommenen Mengen im E-Commerce, verkauft über Shopping-Apps aus China, gibt es nur ein Transportmittel, dass die Waren schnell genug zum Empfänger bringt: das Flugzeug. Etwa 70 Großraumfrachter starten täglich mit Paketen bestückt aus China in den grenzüberschreitenden Verkehr. Diese Zahl nannte McKinsey-Partner Ludwig Hausmann auf dem IATA World Cargo Symposium im März 2024 in Hongkong. Und er ordnete diese auch ein. Insgesamt stünden in China täglich 200 Frachter für Luftfrachttransporte zur Verfügung. Weiter prognostizierte Hausmann, dass der Anteil des E-Commerce am global transportierten Luftfrachtaufkommen bis 2027 auf ein Viertel ansteigen und sich perspektivisch sogar auf ein Drittel erhöhen könne.

Auf dieses durch den E-Commerce generierte Volumen muss sich die Logistikbranche neu einstellen. Die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen über die Unternehmensgrenzen hinweg spielen dabei eine zentrale Rolle. Die DAKOSY-Vorstände Ulrich Wrage und Simon Lembke sind dazu im engen Austausch mit den Akteuren. Lembke verdeutlicht: „Es erfordert Flexibilität, um den besonderen Anforderungen an die Logistik, Zollabwicklung und den Transport auf der letzten Meile im E-Commerce gerecht zu werden.“ Der Hauptgrund dafür ist das Konzept des Direkthandels, das beispielsweise Temu (sieben Prozent Marktanteil am grenzüberschreitenden E-Commerce) und Shein (neun Prozent Marktanteil) praktizieren. Dabei werden die Waren ohne Zwischenlagerung direkt vom Hersteller an den Endkonsumenten unter Verzicht auf dazwischen liegende Handelsstufen geliefert. Der Preis ist eine längere Lieferzeit, die sich zwischen zehn bis vierzehn Tagen bewegt. Um für den Kunden attraktiv zu sein, muss die Lieferkette optimal getaktet und automatisiert sein. Das beinhaltet vor allem auch die Zollprozesse.

Dynamik des Luftfrachtmarktes 2024

Die Grafik zeigt die Entwicklung des grenzüberschreitenden E-Commerce-Aufkommens und dessen Anteil am Luftfrachtaufkommen von 2017 bis 2027+. Nach der Prognose wird der E-Commerce-Markt auch in den Jahren ab 2027 um 10 bis 15 Prozent jährlich wachsen. Es wird erwartet, dass der Anteil des E-Commerce am global transportierten Luftfrachtaufkommen bis 2027 auf ein Viertel ansteigt und sich perspektivisch sogar auf ein Drittel erhöht.

Quelle: McKinsey

Volatiler Markt – jeder Cent zählt

Die Margen in dem niedrigpreisigen Segment liegen teilweise im Cent-Bereich oder in Bruchteilen davon. Um am Markt zu bestehen, braucht es Masse. Nach Schätzungen von McKinsey wurden im Jahr 2022 etwa 8,2 Milliarden E-Commerce-Sendungen über Landesgrenzen hinweg transportiert. „Zudem entscheiden Preis und Geschwindigkeit über die Auswahl der Dienstleister für Handling, Zollabwicklung und Verteilung. Der Markt ist sehr volatil. Sobald Kapazitäten günstiger abgegriffen werden können, wechseln die Händler die Dienstleister und sogar die Flughäfen. Darauf müssen sich die Akteure einstellen.“, ordnet Wrage ein. „E-Commerce-Logistiker sollten darauf achten, mit einer passgenauen Zollsoftware zu arbeiten, mit der Online-Händler schnell und unkompliziert angebunden werden können“, rät Wrage.

Gleiche Maßstäbe für Paket oder Container

Angesichts der engen Taktung darf der E-Commerce-Händler bei der Zollabwicklung keine Zeit verlieren. Diese läuft für den Außenstehenden unsichtbar und in Sekundenschnelle im Hintergrund ab. Lembke bestätigt: „Unsere Zollsoftware ZODIAK GE übernimmt die Steuerung der Pakete durch die Zollprozesse und führt diese automatisiert durch, ohne dass ein manuelles Eingreifen erforderlich ist.“ Es gibt nicht viele Anbieter wie DAKOSY, die alle drei Zollverfahren, die jedes Paket im Importprozess nach Europa durchläuft, bedienen können. Das sind im Einzelnen das Sicherheitsverfahren ICS2, die Summarische Anmeldung und die Abfertigung zum freien Verkehr. „Wir können aus einem Datensatz alle Zollverfahren abwickeln und miteinander verknüpfen“, verdeutlicht Wrage den hohen Automationsgrad. Außerdem profitierten die DAKOSY-Kunden davon, dass der Dienstleister an seine Softwareanwendungen über alle Branchen die gleichen Maßstäbe anlegt. „Wir unterscheiden bezüglich der Qualität und Geschwindigkeit nicht, ob es sich um einen Container oder ein Paket handelt“, verdeutlicht Wrage. Hinzu komme das hohe Know-how im Bereich Datenaustausch über diverse Schnittstellen, das ein weiteres Kernprodukt von DAKOSY sei.

Zum Geschäftsbereich E-Commerce zählt in der Luftfracht alles bis zu einem Warenwert bis 150 Euro pro Päckchen. Denn dieses Segment wird beim Zollprozess separat betrachtet. Bis zu der Warenwertgrenze fallen beispielsweise keine Zollgebühren an. Der Zoll hat 2022 mit ATLAS-IMPOST eine separate IT-Anwendung geschaffen, um das Massengeschäft zollseitig mit einem hohen Automatisierungsgrad abzuwickeln.

 

„Unsere Zollsoftware ZODIAK GE übernimmt die Steuerung der Pakete durch die Zollprozesse und führt diese automatisiert durch, ohne dass ein manuelles Eingreifen erforderlich ist.“

Simon Lembke, Vorstand bei DAKOSY

In Deutschland sind die entscheidenden Knotenpunkte für den E-Commerce heute die Flughäfen Frankfurt, Leipzig/Halle und Köln/Bonn. An allen Standorten sind die automatisierten Zolllösungen von DAKOSY fest etabliert.

Köln/Bonn: Blick in die Automatisierung bei e-com Logistics

Ein DAKOSY-Kunde ist der Fullfillment-Dienstleister e-com Logistics, der am Flughafen Köln/Bonn täglich zwischen 2000 und 4000 Pakete bewältigt, die in den frühen Morgenstunden eng getaktet – vornehmlich aus der Türkei – eintreffen. „Spätestens bis 11:30 Uhr müssen alle Sendungen verarbeitet sein, um sie zeitgerecht an die KEP-Dienstleister weitergegeben zu können“, zeigt e-com-Geschäftsführer Volkan Sentürk das enge Zeitfenster auf. Die Online-Shops stünden im Wettbewerb zum stationären Handel, weshalb eine taggleiche Abfertigung eine Grundanforderung sei, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Zollabfertigung läuft automatisiert. „Als Grundlage für die Zollanwendung werden nur zollrelevante Rohdaten zu den Sendungen benötigt, die wir im Excel-Format an DAKOSY übermitteln.“ Nur bei etwa zehn bis zwanzig Sendungen pro Tag seien manuelle Korrekturen erforderlich. Besonders begeistert Sentürk die übersichtliche ZODIAK GE-Oberfläche. Er zählt auf: „Verschiedene Filtermöglichkeiten, die Statusmeldungen zu ICS2 und die Zollabfertigung geben uns einen guten Überblick.“ Über eine angeordnete Zollbeschau wird er direkt per Status informiert. Gezielt kann das angeforderte Paket unter Tausenden von Einheiten identifiziert werden, so dass die Lieferung aller anderen Pakete von der Verzögerung nicht betroffen ist. Sentürk plant, künftig auch über den Flughafen Frankfurt abzufertigen – insbesondere für Päckchen aus China und Indien sei das Einfallstor am Main interessant.

Flughafen Frankfurt hat Potenzial als E-Commerce-Hub

Erst kürzlich hat sich der DAKOSY-Kunde ViaEurope entschieden, seinen vierten europäischen E-Hub am Flughafen Frankfurt zu etablieren. Nach einer kurzen Testphase wickelt der Dienstleister seit März dieses Jahres bereits über eine Million E-Commerce-Sendungen im Monat über den neuen Standort ab. Die Zollabwicklung steuert ViaEurope über DAKOSY. Dem Flughafen Frankfurt attestiert deren Chief Growth Officer  Stephan Asbreuk ein hohes Potenzial. Neben der zentralen Lage gebe es eine sehr gute digitale Infrastruktur für die automatisierte und schnelle Zoll- und Frachtabfertigung großer E-Commerce-Sendungsvolumen. Für Wrage steht die Ansiedlung von ViaEuropa exemplarisch für die Entwicklung des Flughafen Frankfurts, sich als Drehscheibe im E-Commerce zu platzieren. Für den DAKOSY-Vorstand ist der Trend bereits greifbar: „Die Nachfrage nach Zolllösungen für den Standort steigt.“

Auch der Flughafenbetreiber Fraport spürt, dass er einen Nerv trifft und Frankfurt als E-Commerce-Drehscheibe an Attraktivität gewinnt. Deren Vice President Cargo Development Max Conrady ist überzeugt: „Die Kombination aus Frachtraum in Passagierflugzeugen (Belly-Kapazität) und dedizierten Frachtflugzeugen bietet E-Commerce-Versendern eine hohe Flexibilität.“ Um den steigenden Anforderungen in diesem Segment zu begegnen, seien Investitionen in die bedarfsgerechte Erhöhung der Lager- und Umschlagkapazitäten geplant. Die Rückmeldungen der Marktteilnehmer zeigen Conrady, dass die schnellen und effizienten Zollabwicklungsprozesse ein weiteres ausschlaggebendes Argument für die Ansiedlung am Flughafen Frankfurt sind.

Das E-Commerce-Segment hat am Flughafen Frankfurt auch in dem Cargo Community System FAIR@link seinen festen Platz. Dort ist ein Modul (FRA-OS) integriert, dass eine große Erleichterung für die E-Commerce-Abwicklung bringt. Teilnehmer dürfen in der Cargo City Süd Consol-Importsendungen zeitverzögert beim Zoll gestellen, wenn sie an die IT-Plattform angeschlossen sind. In dem Modul FRA-OS laufen alle relevanten Zollinformationen zusammen. Zusätzlich wird jede Ortsveränderung der Fracht auf dem Flughafengelände zeitgenau elektronisch getrackt, so dass diese für den Zoll jederzeit digital transparent nachvollziehbar ist.

Geplant: KI-gestützt vorab Anomalien erkennen

Insgesamt bewerten Wrage und Lembke den Automatisierungsgrad im E-Commerce als sehr weit fortgeschritten – insbesondere bei den Online-Marktplätzen und den dahinterstehenden Händlern. Der logische Schritt, um die nächste Digitalisierungsstufe zu erklimmen, sei der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI). Bezogen auf DAKOSY erklärt Wrage: „Wir sind in der Vorbereitung, KI-gestützt Anomalien zu erkennen. Er skizziert einen Anwendungsfall: „In der Regel übernehmen Logistiker die zollrelevanten Daten von den Versendern oder Lieferanten. Mit dem Einsatz von KI könnten wir einen Vorab-Check vornehmen und erkennen, ob die Tarifierung, Warenbeschreibung und deklarierter Wert zueinander passen. Aufgrund der hohen Datenmengen im E-Commerce gibt es ein großes Potenzial, KI-Funktionalitäten zu trainieren.“

„Aufgrund der hohen Datenmengen im E-Commerce gibt es ein großes Potenzial, KI-Funktionalitäten zu trainieren.“

Ulrich Wrage, Vorstand bei DAKOSY

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