Artikel • 18.12.2023

Digitale Erntezeit am Frankfurter Flughafen

Gute Datenbasis zahlt sich aus

Der Frachtumschlag am Flughafen Frankfurt wird immer intelligenter, vernetzter und automatisierter. Die nächste Digitalisierungsstufe beinhaltet ein Dashboard für den Import-Frachtfluss für den gesamten Standort, die Automatisierung des Versandverfahrens NCTS sowie die digitale Abholberechtigung. Möglich wird dies durch die gute Datenbasis des Cargo Community Systems FAIR@Link. Dirk Gladiator von DAKOSY und Martina Schikorr von Fraport geben einen Einblick in die Neuigkeiten.

Der Flughafen Frankfurt und das Cargo Community System FAIR@Link

  • Der Flughafen Frankfurt ist der größte Frachtflughafen Europas

  • Der Cargoumschlag im Jahr 2022 lag bei 2 Mio. Tonnen.

  • Das Cargo Community System FAIR@Link startete 2015 mit einer kleinen Pilotgruppe, bestehend aus der Fraport AG und Unternehmen aus den beteiligten Branchen (Airlines, Handlingagenten, Spediteure, Trucker).

  • Im Jahr 2023 zählt die Plattform über 1.100 angeschlossene Unternehmen und Behörden und unterstützt die Beteiligten, ihre Transport- und Frachtprozesse import- und exportseitig zu optimieren und zu beschleunigen.

Es ist Erntezeit am Flughafen Frankfurt – in digitaler Hinsicht. In der neutralen Plattform FAIR@Link sind mittlerweile so viele Daten aggregiert, dass sich auf dieser Basis weitere neue digitale Anwendungen entwickeln lassen. „Mich begeistert die Geschwindigkeit, mit der sich die neuen Features ableiten lassen. FAIR@Link ist der Schlüssel, mit dem das Luftfrachtgeschäft am Standort zukunftsfähig ausgebaut werden kann“, erklärt DAKOSY-Prokurist Dirk Gladiator. Er spricht aus Erfahrung, begleitet er doch die Plattform mit über 1.100 Kunden seit ihrem Start im Jahr 2015. An seiner Seite weiß er Martina Schikorr, die FAIR@Link als Senior Manager Digitalisierung Cargo beim Flughafenbetreiber Fraport voranbringt. Sie macht deutlich: „Wir haben am Standort eine einmalige Konstellation. Die digitale Transformation ist nur möglich, weil die gesamte Air Cargo Community Frankfurt mit uns, also DAKOSY und der Fraport, an einem Strang zieht. Dieses gemeinsame Mindset ist unser Alleinstellungsmerkmal und ein enormer Wettbewerbsvorteil.“ Gleich drei neue Anwendungen haben die Flughafen-Akteure in der Pipeline. „Was wir jetzt gemeinsam voranbringen, ist richtungsweisend für die Branche“, prognostiziert Gladiator.

"FAIR@Link ist der Schlüssel, mit dem das Luftfrachtgeschäft am Standort zukunftsfähig ausgebaut werden kann."

Dirk Gladiator, Prokurist bei DAKOSY

Cargo Import Dashboard für den Überblick

Neu und ein Quantensprung für den Flughafen Frankfurt ist das Import Dashboard, das intern bei der Fraport bereits live im Einsatz ist. Schikorr zeigt auf dem Bildschirm das Lagebild der Cargo City Süd. Visualisiert werden das Frachtaufkommen, die Auslastung der Infrastruktur, Störungen im Frachtfluss, die Datenqualität und vieles mehr. Die benötigten Informationen stammen aus FAIR@Link. Dort sind alle Zeitstempel vom Abflug am Vorflughafen bis zum Ausgang Gateway am Flughafen Frankfurt hinterlegt. Bis zu 40 Statusmeldungen gibt es. Auch der Zoll ist an das System angeschlossen.

Ziel: Performance weiter steigern
Schikorrs Ziel ist es, mit dem neuen Tool den Importfluss für alle Beteiligten noch planbarer zu machen und abzuleiten, wie sich priorisierte Sendungen schneller umgeschlagen lassen. „Durch das Sichtbarmachen der Daten und deren Verdichtung können wir erstmals datenbasiert analysieren und auf dieser Grundlage Entscheidungen treffen, welche Prozesse verbessert werden können“, erläutert sie und verdeutlicht den Unterschied, „vorher mussten wir uns auf die Aussagen der Stakeholder verlassen und hatten nur ein subjektives Stimmungsbild.“ Schikorr ist sich sicher, dass gerade das frühzeitige Erkennen von Engpässen einen großen Beitrag zur Verbesserung der Performance leisten wird. Sobald ein ausreichender Fundus an historischen Daten vorhanden ist, wollen DAKOSY und Fraport auch KI-basierte Prognosen zur Verfügung stellen und so eine bessere Vorausplanung ermöglichen. Das technische Potenzial ist enorm.

Ein einheitliches Lagebild für alle Beteiligten
Aktuell stimmen sich die Beteiligten – also die Air Cargo Community, die Fraport und DAKOSY – darüber ab, wieviel Transparenz sie sich zutrauen. Einig ist man sich darüber, wie das Ergebnis aussehen soll: ein einheitliches Lagebild für alle Beteiligten, so dass alle auf der gleichen Basis arbeiten. Schikorr attestiert den Akteuren, dass „das gegenseitige Vertrauen und der Zusammenhalt beim Datenteilen in der Community sehr hoch ist.“ Dabei macht sie auch auf das Neuland aufmerksam, dass sie derzeit betreten: „Es gibt keine Blaupause und keinen Flughafen, der bereits ein solches Dashboard nutzt.“

Synergien nutzen für neue Anforderungen bei NCTS

Ein weiteres Anwendungsfeld für die in FAIR@Link vorhandenen Daten haben neue Zollvorschriften mit sich gebracht. Der jüngste Releasewechsel des Zoll IT-Systems ATLAS hat zu großen Änderungen für das Versandverfahren NCTS geführt. 

Manuell nicht mehr darstellbar
„Mit dem ATLAS-Release 9.1 wird die Erstellung von T-Papieren deutlich aufwendiger“, erläutert Gladiator. Und Schikorr ergänzt: „Nach den neuen Vorgaben ist es wirtschaftlich nicht mehr darstellbar, die Zollanforderung ohne digitale Lösung zu erfüllen.“ Diese Änderung betrifft so gut wie alle Akteure am Flughafen Frankfurt. Als bedeutende Frachtdrehscheibe in Europa wird ein erheblicher Anteil der Sendungen innereuropäisch weiterverladen. Diese Ware wird nicht in Frankfurt verzollt, sondern an ihren Zielorten. Bis dahin reisen die Sendungen im Versandverfahren NCTS.

Fundus aus der 1:1-Referenzierung und dem ICS2-Verfahren
Die neuen Anforderungen nennt Gladiator: "Die NCTS-Anmeldung muss auf der Positionsebene der Sendung erfolgen. Außerdem ist künftig der 6-stellige HS-Code verpflichtend anzugeben. Das sind die ersten sechs Stellen der Zolltarifnummer.“ Genau diese Informationen sind bereits in FAIR@Link und dem dazugehörigen Baustein FRA-OS hinterlegt. „Durch die digitale Unterstützung der 1:1 Referenzierung im Import und des ICS2-Verfahrens – dem EU-Zollsystem für Sicherheit und Gefahrenabwehr – verfügen wir in FAIR@Link über die erforderliche Datenbasis, mit der wir das Versandverfahren positionsgetreu abbilden können“, präzisiert Gladiator. Lediglich das Fahrzeug-Kennzeichen und die Siegelnummer der dazugehörigen Plombe seien noch zu ergänzen.

Digitaler Abholprozess in der Konzeptionsphase

Ein weiteres Projekt am Flughafen Frankfurt ist die Einführung der digitalen Abholberechtigung, die ebenfalls durch die in FAIR@Link gebündelten Informationen möglich wird. Sie soll den bisher papierbasierten Auslieferschein – auch unter dem Namen LUG-Schein bekannt – ersetzen. Der Auslieferschein durchlief bisher physisch alle Stationen – vom Handlingsagenten über den Spediteur und gegebenenfalls Subunternehmer hin zum Trucker, der sich damit für die Abholung der Ware beim Handlingsagenten legitimierte. Durch handschriftliche Vermerke diente das Papier zusätzlich oft als Arbeitsschein und Auslieferquittung.

Eindeutige Identifizierung erhöht Sicherheit
Künftig werden alle Daten für den Abholprozess der FAIR@Link-Plattform entnommen. Das beginnt mit der digitalen Abholberechtigung. „Alle, die Sendungen abholen dürfen, haben wir im System bereits initial zugeordnet – und zwar durch die im vergangenen Jahr etablierte 1:1 Referenzierung“, verdeutlicht Gladiator. Neben diesem Datensatz werden den Kunden weitere Informationen zur Verfügung stehen. Als neuer digitaler Status wird die „Abholbereitschaft“ eingeführt. Diese Information vermeidet unnötige Fahrten und Wartezeiten. Ferner werden auch die Slot-Buchung, die Anmeldung des Fahrers sowie die Auslieferquittung in den digitalen Abholprozess integriert. „Wir vereinen hier Daten aus verschiedenen bereits etablierten Prozessen, wie der 1:1 Referenzierung, der Rampensteuerung sowie des Abholscheins – ähnlich wie bei einem Puzzlespiel. Heraus kommt ein schlanker, digitaler und sicherer Abholprozess“, erklärt Schikorr und unterstreicht den Sicherheitsaspekt, „dazu gehören für mich die eindeutige digitale Identifizierung des Abholberechtigten und des Fahrers.“

Beladeprozess bis zu 15 Minuten schneller
Ein großer Vorteil ist die Zeitersparnis. Gladiator schätzt, dass sich mit der digitalen Abholberechtigung der Beladeprozess um 10 bis 15 Minuten verkürzen lässt. Mitgedacht sind in der Konzeption auch schon Lösungswege, wie die Anmeldung der Fahrer künftig direkt an der Rampe erfolgen kann. Denn auch die Fahrten zwischen dem Anmeldeschalter und der Abholung an der Rampe kosten den Trucker wertvolle Zeit. Der digitale Abholprozess befindet sich aktuell in der Konzeptionsphase und soll nach jetziger Planung in der zweiten Jahreshälfte 2024 in den Pilotbetrieb gehen.

 

„Wir vereinen hier Daten aus verschiedenen etablierten Prozessen, wie der 1:1 Referenzierung, der Rampensteuerung sowie des Abholscheins – ähnlich wie bei einem Puzzlespiel. Heraus kommt ein schlanker, digitaler und sicherer Abholprozess“.

Martina Schikorr, Senior Manager Digitalisierung Cargo bei Fraport

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