Artikel • 13.12.2022
ICS2 kommt
Die Luftfracht startet im März in das neue Sicherheitsverfahren
Jedes Jahr werden Waren im Wert von mehreren Billionen Euro in die EU eingeführt. Dies entspricht rund 15 Prozent des weltweiten Warenhandels. Diese Importe müssen bereits seit über 10 Jahren zur Risikobewertung/Gefahrenabwehr vor Eintritt in die EU über das ICS-Verfahren angemeldet werden. Das derzeit geltende ICS1-System ermöglicht keine dedizierte Risikoanalyse. Auch sind nicht alle Verkehrsträger angebunden. Daher wird es jetzt durch das neue ICS2-Verfahren komplett abgelöst.
Die Einführung von ICS2 erfolgt in drei Stufen
- Zum 1. März 2021 starteten die Kurier- und Expressdienste.
- Ab 1. März 2023 kommt die Luftfracht dazu.
- Ab 1. März 2024 folgen die Verkehrsträger See, Straße und Schiene.
„Für die Luftfrachtbranche steht die Einführung also kurz bevor. Die dortigen Anforderungen lassen sich aber leicht auf die Seefracht übertragen, da keine wesentlichen Änderungen zu erwarten sind“, ordnet DAKOSY-Prokurist Dirk Gladiator ein.
Eine EU-Eingangstür statt 27 nationaler Türen
Neu in ICS2 ist die zentrale Meldestelle. Alle relevanten Daten und Nachrichten werden künftig direkt an das EU-System gesendet. Dazu hat die EU-Kommission eine gemeinsame Teilnehmerschnittstelle entwickelt, das Shared Trader Interface (STI). Bisher mussten die Meldeverpflichteten – also die Fluggesellschaften und Reedereien als Beförderer der Waren – ihre Meldungen direkt an das jeweils betreffende EU-Land abgeben, beispielsweise in Deutschland an das zollseitige IT-Verfahren ATLAS. „Die verschiedenen Schnittstellen der nationalen Zollsysteme in der EU zu bedienen, war aufgrund der Vielzahl mit einem hohen Aufwand verbunden. Künftig wird es nur noch eine Eingangstür geben statt 27 nationale Türen. Dieser einheitliche Weg ist mit Blick auf den IT-Prozess eine erhebliche Erleichterung und Verbesserung“, erläutert Gladiator.

"Künftig wird es nur noch eine Eingangstür geben statt 27 nationale Türen. Dieser einheitliche Weg ist mit Blick auf den IT-Prozess eine erhebliche Erleichterung und Verbesserung“.
Der Vorab-Zoll-Check
Der Anmeldeprozess selbst wird künftig zweistufig sein. Hinzugekommen ist eine Meldung, das sogenannte Pre-Loading. Dieses wird zusätzlich zu dem etablierten Pre-Arrival abgegeben, mit welchem die Airline spätestens vier Stunden vor Ankunft der Sendung in der EU den MAWB-Datensatz übermittelt. Im Anschluss kommt es zu einer „Pre-Loading“-Analyse, was bedeutet, dass die Carrier bereits vor Verladen der Waren mit Rückfragen (Referrals) rechnen müssen. Die EU empfiehlt, auf jeden Fall den Status „Assessment Complete“ – also die Verladefreigabe – abzuwarten, bevor die Sendung an Bord eines Flugzeugs geladen wird.
Stavroula Mitsa Ostoike, Projektleiterin ICS2 bei der Fluggesellschaft Lufthansa Cargo verdeutlicht die Konsequenzen: „Wir werden nur noch Sendungen mit einem Status „Assessment Complete“ transportieren. Andernfalls werden wir die Sendung zurückhalten und alle von den EU-Behörden vorgeschriebenen Maßnahmen ergreifen.“ Auf LinkedIn erklärt sie die Vorgehensweise von Lufthansa Cargo in einem kurzen Video.
Je früher das Pre-Loading abgegeben wird, desto größer fällt der praktische Nutzen für den Spediteur oder Verlader im Abgangsland aus. Ein Zoll-Pre-Check ist bereits möglich, bevor die Sendung überhaupt den Hof oder das Lager verlässt.
„Für uns hat es den Vorteil, dass ein großes Zeitfenster für die Beantwortung von Rückfragen zur Verfügung steht, noch bevor die Sendungen disponiert und verbaut werden“, berichtet Fabian Heilmann von Kühne + Nagel in Frankfurt am Main. Die frühzeitige Klärung bringt die Sicherheit, dass die Fracht nicht wegen offener Zollfragen am Flughafen stehen bleibt oder Sammelladungen wegen einer einzelnen fraglichen Sendung nicht verladen werden.
Neue Vorgaben für die Anmeldung
Luftfrachtseitig müssen Spediteure oder Verlader diese zusätzlichen Daten bereitstellen:
- Die Warennummer in Form eines sechsstelligen HS-Codes,
- die komplette Adresse des Ursprungsabsenders,
- die komplette Adresse des endgültigen Empfängers,
- der sechsstellige HS-Code in der ICS2-Meldung,
- ggf. die EORI (Nachfolger der Zollnummer auf EU-Ebene) des Empfängers.
Optional: „Multiple Filing“ durch mehrere Anmelder
Parallel zum „Pre-Loading“ wird die Option des „Multiple Filing“ eingeführt. Hinter diesem Fachbegriff verbirgt sich die Möglichkeit, dass neben der Airline oder der Reederei auch die Spedition oder der Verlader den ersten Datensatz übermitteln kann. Kühne + Nagel hat sich bewusst für diese Variante entschieden – aus mehreren Gründen, wie Heilmann ausführt: „Wir werden das Multiple-Filing-Szenario nutzen, um operativ flexibel zu sein und gleichzeitig eine hohe Datenqualität an die Behörden zu liefern. Außerdem ist es unser Anspruch, die sensitiven Kunden- und Sendungsdaten mit möglichst wenigen Parteien in der Supply Chain zu teilen.“
Höhere Datenqualität gefordert
Für die Meldung der Daten wurde ein einheitliches elektronisches Format mit dem Namen "Entry Summary Declaration" (ENS) festgelegt, das keine Abweichungen zulässt. Dementsprechend steigt die geforderte Genauigkeit der Angaben. „Fehlen Angaben oder stimmen nicht mit dem Format überein, wie beispielsweise eine fehlende Postleitzahl, kann dies künftig dazu führen, dass eine Sendung stehenbleibt“, erklärt Gladiator die Konsequenzen. Es lohnt sich also, diesem Punkt große Aufmerksamkeit zu schenken und die Daten entsprechend den neuen Vorgaben bereitzustellen.
Übergangsfristen
Das neue ICS2-Verfahren startet für die Luftfracht zum 1. März 2023. Das Umstellungszeitfenster für die Teilnahme am Multiple Filing läuft bis zum 2. Oktober 2023. „Doch Speditionen und Verlader sollten in der Lage sein, die geforderten Daten bereits ab dem 1. März 2023 elektronisch zur Verfügung zu stellen“, betont Gladiator. Denn er erwartet, dass erste Airlines zu diesem Termin mit dem ICS2-Verfahren starten und die entsprechenden Daten von ihren Kunden einfordern werden. Lufthansa Cargo hat bereits bestätigt, zum 1. März 2023 – wie von der EU gefordert – bereit zu sein, das neue ICS2-Verfahren zu nutzen.
Partner für die technische Anbindung
DAKOSY verfügt über langjährige Erfahrungen mit dem ICS-Verfahren. Neben dem Schnittstellen-Angebot ist das Modul auch in die Zollsoftware ZODIAK GE integriert. Bisher hat der Softwaredienstleister das „Pre-Arrival“ für meldeverpflichtete Airlines und Reedereien übermittelt. „Für diese kümmern wir uns um den neuen Meldeweg und übernehmen gegebenenfalls eine Anpassung der Schnittstellen“, bestätigt Gladiator. Auch können die bestehenden aus ICS1 mit einem geringen Änderungsaufwand weiterverwendet werden.
Auch Speditionen, Logistiker und Verlader können über ZODIAK GE am Multiple Filing teilnehmen, inklusive dem elektronischen Austausch von Referrals, Benachrichtigungen und Arrival Notifications. Bei der Datenübermittlung haben die Nutzer die Wahl zwischen einer Web-Anwendung, EDI-Anbindung oder hybriden Lösung.