Artikel • 13.12.2022

Nachhaltigkeits-Boost

für Containerumfuhren im Hamburger Hafen

Seit dem 1. November 2022 sind im Hamburger Hafen schiffsbezogene Containerumfuhren für Transhipments möglich. Vorher wurden diese Transporte ausschließlich per Lkw durchgeführt. Die Vorbereitungen für diesen umweltfreundlichen neuen Service waren nicht trivial. Bevor auch nur ein Container bewegt werden konnte, musste ein digitaler Prozess geschaffen werden, der die zollrechtliche Behandlung abbildet. Das Projekt ist ein Beispiel dafür, wie die Port Community Plattform (PCS) immer wieder die Basis für neue digitale Lösungen im Hamburger Hafen bildet.

Fachbegriffe - Glossar

Transhipment: Umschlag von Containern zwischen Großcontainerschiffen und Feederschiffen

Feederschiff: Dies sind kleinere Containerschiffe, die als Zulieferer und Verteiler für Großcontainerschiffe eingesetzt werden. Die größten Einheiten werden im Verkehr zu den Ostseehäfen eingesetzt und können etwa 1400 TEU laden.

Verwahrung: Container, die sich in der zollrechtlichen Verwahrung befinden, dürfen maximal 90 Tage (bei landseitiger Anlieferung) bzw. 45 Tage (bei seeseitiger Anlieferung) am Containerterminal verbleiben. Danach ist in der Regel eine kostenpflichtige Überführung in ein Zolllager zwingend erforderlich.

Die Lösung für wasserbezogene Hafentransporte kann sich sehen lassen: Der neu entwickelte Dienst umfasst Containerumfuhren per Feederschiff zwischen den HHLA Terminals CTA, CTT und CTB sowie Eurogate und in Kürze auch dem Süd-West Terminal. Den Weg dafür bereitet haben gemeinsam mit DAKOSY die dänische Reederei Unifeeder und die DIHLA DAKOSY Interessengemeinschaft Hamburger Linienagenten. Die neu geschaffene digitale Anwendung kann von allen Feedercarriern eingesetzt werden, die ihre freien Stellplätze für Hafenumfuhren nutzen wollen.

Florian Pein, Area Director West and Central Europe bei Unifeeder, will mit gutem Beispiel vorangehen: „Wir streben an, auf diesem Weg 50 Prozent unserer Transhipment-Umfuhren vom Lkw auf das Feederschiff zu verlagern. Der umweltfreundliche Service nutzt bestehende Schiffskapazitäten und löst gleich mehrere Probleme. Hafentransporte werden von der Straße auf die Wasserstraße verlagert. Außerdem ist er eine Alternative zu herkömmlichen Lkw-Transporten, die aufgrund des Fahrermangels oft nicht mehr kurzfristig durchführbar sind."

Florian Pein, Area Director West and Central Europe bei Unifeeder

„Wir streben an, auf diesem Weg 50 Prozent unserer Transhipment-Umfuhren vom Lkw auf das Feederschiff zu verlagern. Der Service wirkt dem Fahrermangel entgegen, entlastet die Straße und ist zugleich umweltfreundlich."

Unifeeder als Ideengeber und Pilotpartner

Die Idee, bestehenden Schiffraum für Transhipment-Umfuhren zu nutzen, kam von Unifeeder. Der größte Feedercarrier in Nordeuropa läuft mit seiner Flotte täglich alle gängigen Containerterminals im Hamburger Hafen an, um Fracht für seine Kurzstreckenseeverkehre im gesamten nordeuropäischen Raum zu verladen.

„Während die Schiffe zwischen den Terminals unterwegs sind, haben diese immer ausreichend freie Kapazitäten, um zusätzliche Container innerhalb des Hafens mitzunehmen“ umreißt Florian Pein, Area Director West and Central Europe bei Unifeeder die Ausgangssituation und ergänzt, „parallel dazu spüren wir die Auswirkungen der seit Jahren rückgängigen Nachwuchszahlen im Lkw-Fahrerbereich. Dies führt stetig zu erheblich fehlenden Umfuhrmöglichkeiten und langen Wartezeiten im Hamburger Hafen.“ Sonn- und Feiertagsfahrverbote schränken die Lkw-Verfügbarkeit weiter ein. Dies ist ein weiterer Pluspunkt für die Schifffahrt, die von dieser Reglementierung nicht betroffen ist.

Es gab eine Hürde zollrechtlicher Art bei der Umsetzung. „Feederschiffe sind darauf ausgelegt, den Hafen wieder zu verlassen. Daher unterliegen die auf ihnen transportierten Container der Ausfuhrüberwachung. Deshalb musste zunächst ein digitaler Prozess geschaffen werden, der auch die zollrechtliche Behandlung für eine seeseitige Umfuhr abbildet“, erklärt DAKOSY-Projektleiter Franz Schwanke.

Sönke Witt, Leiter der Geschäftskundenkommunikation bei der HHLA, hat das Projekt auf Seiten des Terminalbetreibers betreut. Er bestätigt: „Durch die Möglichkeit, Hafenumfuhren künftig per Feederschiff durchführen zu lassen, wird eine Bündelung von Volumen für Schiffsanläufe erreicht. Dieses führt für das Gesamtsystem Hafen zu einer Entlastung. Davon profitieren unsere Kunden, unsere Terminals und die Infrastruktur.“

Vor dem Hintergrund, eine zukunftsweisende Lösung zu schaffen, hat die DIHLA DAKOSY Interessengemeinschaft Hamburger Linienagenten GmbH die Vorfinanzierung für die notwendigen digitalen Prozesse übernommen. Ihr Geschäftsführer Alexander Geisler begründet dies: „Für uns ist die schiffsbezogene Umfuhr im Hafen der richtige Weg. Die Hürden in der Praxis haben gezeigt, dass es dafür einen Bedarf gibt. Jetzt ist der Weg frei, die Straßeninfrastruktur im Hafen zu entlasten und unter Berücksichtigung vorhandener Schiffskapazitäten und digitaler Infrastruktur umweltfreundlicher und damit zukunftsweisend unterwegs zu sein.“

Im Hamburger Hafen können seit November Containerumfuhren zwischen den Terminals per Feederschiff erfolgen.

Das Port Community System als Fundament

Die digitale Basis bildet das von DAKOSY betriebene Port Community System (PCS), in welches das neue Modul integriert wurde. Schwanke erklärt dazu: „Normalerweise muss ein exportseitiges Zollverfahren abgeschlossen werden, sobald ein Container auf ein Feederschiff verladen wird. Gemeinsam mit den Wirtschaftsbeteiligten und in Abstimmung mit dem Zoll haben wir jetzt eine Integrationsfunktion in der Importplattform IMP und der Exportplattform EMP geschaffen, mit der Umfuhren zollrechtlich sauber abgebildet werden können.“

In den Prozess wurde das sogenannte Umfuhrmanifest neu eingeführt. Mit diesem signalisiert der Feedercarrier per EDI-Schnittstelle oder über die IMP-Webanwendung, dass er eine Umfuhr per Feederschiff durchführen möchte. Daraufhin wird automatisiert ein Verwahrerwechsel ausgelöst und kein Ausfuhrprozess angestoßen. Mit dem Manifest wird zudem das Startterminal über die geplante Umfuhr informiert und im weiteren Verlauf mit Statusmeldungen versorgt. Auf diese Weise kann das Terminal seine internen Prozesse ebenfalls optimiert steuern. 

Perspektivisch hat die Lösung das Potenzial, einen nennenswerten Beitrag zur Entlastung der Straße und der angespannten Lkw-Fahrersituation zu leisten. Denn das Transhipment spielt eine beachtliche Rolle für den Hamburger Hafen. Die Hansestadt übernimmt eine zentrale Funktion als Hub zwischen den Containerüberseeverkehren und der Shortsea-Schifffahrt. Demensprechend zählte der Hafen Hamburg in 2021 etwa 3,3 Mio. TEU Transhipment-Umschläge, wobei nicht jeder Umschlag eine Umfuhr nach sich zieht. „Jeder Container, den wir über die Wasserstraße bewegen, bedeutet eine Einsparung an C02“, sagt Geisler über den schnellen Erfolg und erwartet längerfristig: „Durch schiffsbezogene Umfuhren können jährlich mehrere tausend Container von der Straße geholt werden.“

Alexander Geisler, Geschäftsführer DIHLA DAKOSY Interessengemeinschaft Hamburger Linienagenten GmbH

„Durch schiffsbezogene Umfuhren können jährlich mehrere tausend Container von der Straße geholt werden.“

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