Artikel • 26.04.2023
Transparenz lässt sich nur virtuell herstellen
Digitale Zwillinge in der DAKOSY-Praxis
Ein digitaler Zwilling ist im klassischen Sinne ein virtuelles Abbild von einem Objekt, wie beispielsweise einer Brücke. Doch lässt sich das Modell auf die Logistik übertragen? DAKOSY-Prokurist Dirk Gladiator lässt daran keinen Zweifel: „Für uns ist der Transport das Objekt, das wir digital darstellen.“
Internationale Güterverkehre, egal ob See- oder Luftfracht, sind in der Regel hochkomplex, die Warenwerte hoch. Viele Akteure wie Verlader, Spediteure, Reeder und Terminals sind an der Organisation beteiligt, doch keiner begleitet den Transport vom Versender bis zum Empfänger real. „In den fünf bis sechs Wochen, in denen beispielsweise ein Seecontainer aus Fernost zu uns unterwegs ist, bleibt dieser für die Beteiligten physisch unsichtbar“, verdeutlicht Gladiator.
Transparenz lässt sich deshalb nur virtuell herstellen. Dazu braucht es Zeitstempel, Statusinformationen, Sensor- und andere Echtzeitdaten sowie auch Planungsdaten der Organisatoren der jeweiligen Transportabschnitte, die entlang des Transportwegs eingesammelt werden. „Die Daten laufen auf unseren Cargo Community Plattformen für See- und Luftfracht zusammen. Mit ihrer Hilfe bilden wir die Transportketten digital ab und bauen digitale Zwillinge.“ Doch gibt es bei DAKOSY keine virtuell sichtbare Hafen- oder Flughafenwelt mit Schiffen, Flugzeugen, Lkw, Terminals und Hubs. „Eine solche Darstellungsform hätte kaum Mehrwert für unsere Kunden“, stellt Gladiator klar und nennt ein Beispiel, „nur die Sicht auf die Box auf dem Schiff oder im Hafen gibt keinen Aufschluss darüber, ob die Ware pünktlich, rechtzeitig verzollt oder freigestellt ist. Dafür müssen die verschiedenen Informationen zusammengebracht und in einen Kontext gesetzt werden. Das ist der Mehrwert, den wir erbringen.“
„Die Daten laufen auf unseren Cargo Community Plattformen für See- und Luftfracht zusammen. Mit ihrer Hilfe bilden wir die Transportketten digital ab und bauen digitale Zwillinge.“
Statt mit digitalen Abbildern arbeitet DAKOSY an den neuralgischen Punkten mit einem aussagekräftigen, farblich gekennzeichneten Statussystem. Bei „Grün“ ist alles im Plan, „rot“ weist auf eine Störung hin. Dieses System hat sich bewährt. Nur bei Unregelmäßigkeiten wird der Kunde automatisiert informiert. „Dadurch können Logistiker im Bedarfsfall gezielt und rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, wie beispielsweise Umbuchungen auf andere Verkehrsträger oder ein späteres Schiff oder eine spätere Abholung/Anlieferung im Hafen vornehmen“, erklärt Malte Kantak, stellvertretender Abteilungsleiter Port Communication Services (PCS).
Solange sich nur die Position ändert…
„Durch die virtuelle Brille gesehen, durchläuft ein Transport datentechnisch anspruchsvolle und weniger anspruchsvolle Phasen“, veranschaulicht Kantak. Leicht darstellbar sei er, solange sich die Ware auf einem Verkehrsträger befinde, egal ob Schiff, Bahn, Lkw oder Flugzeug. In diesem Fall verändere sich nur die Position des Transportmittels. „Am Frankfurter Flughafen erhalten wir diese Echtzeitdaten aus dem Informationssystem des Flughafenbetreibers Fraport. In der Seefracht, im Anlauf auf den Hafen Hamburg, fließen die immer präziser prognostizierten Schiffsankünfte vom HVCC Hamburg Vessel Coordination Center in unser System ein“, sagt Kantak.
Umschlags-Hubs mit höchster Statusdichte
Anspruchsvoll für die virtuelle Darstellung sind insbesondere See- und Binnenhäfen, Flughäfen oder Bahnhöfe. Dort sind die Statusdichte und die Zahl der Datenquellen am höchsten. Immer, wenn der Verkehrsträger wechselt und dabei eventuell auch eine Landesgrenze passiert wird, kommen viele Akteure ins Spiel. Es gibt zahlreiche Schnittstellen und Prozesse, die ausgelöst werden. Beispiele sind Verzollungen, Freistellungen, Slotbuchungen und Weiterverladungen. Den praktischen Nutzen einer digitalen Gesamtdarstellung beschreibt Kantak so: „Je besser wir diese Abläufe unternehmensübergreifend aufzeigen, desto genauer können die Beteiligten planen.“
Diese Prognosefragen will DAKOSY künftig mit KI beantworten
Wie gelingt ein optimales Zusammenspiel von Produktionssteuerung und Logistik?
Im Export lässt sich zum Beispiel mit Prognoseverfahren auf der Basis von Echtzeitdaten berechnen, wann die Ware spätestens für den Vorlauf verladebereit sein muss, um das gewünschte Schiff zu erreichen. Weiter lässt sich planen, wann der dafür benötige Leercontainer das Depot verlassen muss.
Trifft der Container rechtzeitig für die Weiterverladung ein?
Wieder auf den Export bezogen, beschäftigt die Frage vor allem Hubs wie Umschlagbahnhöfe und Binnenhäfen im Hinterland. Kann die erwartete Bewegung und Ankunft einer Sendung im Zwischenhub vorhergesagt werden, reduziert sich die geplante Pufferzeit. Die Hinterlandterminals werden entlastet und können effizienter genutzt werden.
Mit welchem Transportmittel wird der Container im Import voraussichtlich nach dem Löschen im Seehafen weiterverladen?
Bei etwa 20 bis 40 Prozent der Container ist bei der terminalseitigen Entladung nicht bekannt, mit welchem Transportträger es weitergeht. Mithilfe von KI sind Prognosen bezüglich der Weiterverladung möglich. Der Vorteil: Der Stellplatz würde dann so gewählt, dass die Fahrstrecke auf dem Yard möglichst kurz ist und der Container im Stock nicht umgestapelt (Minimierung Containerbewegungen) werden muss. Das spart Zeit und Geld.
Wachsendes System durch modularen Aufbau
Deshalb ist es so wichtig, dass sich möglichst viele Involvierte verantwortlich fühlen, ihre Transportinformationen über die Firmengrenzen hinaus zu teilen. „An unsere neutralen Plattformen docken sich immer mehr Unternehmen an. Auch zahlreiche Behörden wie der Zoll, die Wasserschutzpolizei und das Veterinäramt sind dabei. Mit jedem zusätzlichen Teilnehmer wird das Bild granularer“, freut sich Gladiator. Die digitalen Zwillinge setzen sich dabei aus vielen kleinen Prozessabschnitten zusammen, beispielsweise dem Hafenanlauf, dem Löschvorgang, dem Zoll- und Freistellungsprozess. „Durch den modularen Aufbau können unsere Plattformen leicht wachsen. Weitere Akteure, wie beispielsweise Leercontainerdepots, Binnenhäfen und Transporteure können sich ohne technischen Aufwand anschließen“, zeigt Gladiator den Vorteil auf.
Was wäre, wenn?
Besonders wertvoll ist es, wenn Plan- und Prognosedaten in die digitalen Zwillinge einfließen. Mit diesen Informationen kann der Logistiker seine Prozesse optimieren, Abholzeitpunkte genauer spezifizieren, Wartezeiten reduzieren, Standgelder vermeiden und Zollprozesse automatisiert anstoßen, auch außerhalb der Bürozeiten. Wer also solche Daten richtig nutzt, ist deutlich schneller am Ziel und kann bares Geld sparen. Generiert werden diese Zukunftsdaten mit künstlicher Intelligenz (KI) und mit Algorithmen. „Wir sind dabei, Prognoseverfahren rund um die Aktivitäten im Hamburger Hafen und am Flughafen Frankfurt zu entwickeln. So wollen wir unsere Kunden unterstützen, eine optimal getaktete Transportkette aufzubauen, die Resilienzen bei Störungen im Transportablauf mit einbezieht“, verrät Gladiator.
Die höchste Stufe der digitalen Zwillinge ist erreicht, wenn bei zu erwartenden Unregelmäßigkeiten so rechtzeitig gegengesteuert werden kann, dass der reale Transport von der Störung gar nicht erst betroffen wird. Auch hierfür gibt es schon Lösungsansätze bei DAKOSY. Beispielsweise fließen die prognostizierten Schiffsankünfte in das Port Community System des Hamburger Hafens ein. Bei einer zu erwartenden Schiffsverspätung signalisiert ein roter Status die voraussichtliche Unregelmäßigkeit. Abholungen oder Anlieferungen können rechtzeitig umgeplant werden.
Beispiele für digitale Zwillinge bei DAKOSY
Über die Plattformen können die Kunden ablesen, wann die Ware verfügbar ist und ihre Folgetransporte gut getaktet disponieren. Die Abholbereitschaft setzt sich aus verschiedenen Status zusammen. Die Wichtigsten sind:
- Das ausgebende Terminal oder der Handlingagent ist nicht mehr in der Verwahrung (Zoll).
- Die Freistellung (Seefracht) bzw. der Auslieferschein (Luftfracht) liegt vor.
- Der Container bzw. das Equipment ist unbeschädigt und im auslieferfähigen Zustand.
- Gefahrgut-Checks (Luftfracht) wurden durchgeführt.
- Freigabe anderer involvierter Behörden liegt vor.
Die Zollautomatisierung birgt einen Zeitvorsprung von bis zu mehreren Tagen. In der Seefracht sendet der Spediteur circa zehn Tage vor Schiffsankunft alle Informationen für eine „vorzeitige Verzollung“ an die Import Management Plattform (IMP). Durch das vorzeitige Senden kann der Zoll schon vorab prüfen, während der Container noch auf See ist. Sobald der Container gelöscht ist, wird über die IMP das finale Zollverfahren automatisiert ausgelöst – auch außerhalb der Bürozeiten. Die Fracht kann nahtlos und ohne Wartezeiten vom Trucker übernommen werden. In der Luftfracht bietet DAKOSY ähnliche Möglichkeiten, um die Zollabwicklung zu beschleunigen. -
Die Community Plattformen geben Hinweise, wenn ein Transport nicht wie geplant verlaufen wird – auf Wunsch auch proaktiv als Alertmeldung. Beispiele hierfür sind Schiffs- oder Flugverspätungen. Auch Zollkontrollen, wie eine Beschau, werden angezeigt, so dass die Beteiligten rechtzeitig agieren können. Ein weiteres Beispiel sind Containerbeschädigungen. Muss die Ware physisch in einen neuen Container gestaut werden, wird im DAKOSY-System die neue Containernummer angezeigt und dieser auch die entsprechenden Zollprozesse zugeordnet.