Artikel • 16.06.2022
Steigende Nachfrage nach Supply-Chain-Transparenz
Mehrwert und Case entscheiden über die Zusammenarbeit
Durch immense globale Lieferkettenstörungen stehen Transportverzögerungen und Produktionsausfälle auf der Tagesordnung. Um frühzeitig darauf reagieren zu können, benötigen Empfänger und Versender verlässliche Transportdaten über die gesamte Supply Chain. Dazu braucht es Plattform-Vernetzungen.
DAKOSY-Vorstände im Gespräch
für den Leitartikel des Magazins
(von links: Dieter Spark, Ulrich Wrage)
In der Regel sind die Transportketten stark fragmentiert. Es gibt bislang keine Plattform, die ein einheitliches Tracking bietet, wenn verschiedene Dienstleister in einen internationalen Transport involviert sind. Die bestehenden Angebote mit ladungsbezogenen Informationen stehen den Akteuren in der Regel nur für einzelne Transportabschnitte zur Verfügung.
Um den Mehrwert für die Nutzer zu erhöhen, versuchen große wie kleine Anbieter möglichst viele Daten entlang der Transportkette für ihre Kunden zu bündeln. Kooperationen und auch Übernahmen sind die Folge. So hat beispielsweise Transporeon innerhalb kürzester Zeit Logit One, SupplyStack und Nexogen übernommen, um die Reichweite multimodal zu vergrößern.
„Daneben gibt es auch Plattformen, die mit einem weltweiten Ansatz aufgebaut wurden, wie TradeLens, project44 oder FourKites. Diese suchen eher den Schulterschluss mit lokalen Anbietern, wie einem Port Community System, um in den jeweiligen Häfen und im Hinterland auskunftsfähig zu sein“, berichtet DAKOSY-Vorstand Ulrich Wrage.
Eine Entwicklung, die den DAKOSY-Vorständen die größten Chancen auf Erfolg verspricht, ist, sich punktuell auf Augenhöhe zu vernetzen. Vorstand Dieter Spark nennt ein aktuelles Beispiel: „Mit den Bremer Kollegen, der dbh Logistics, haben wir eine gemeinsame deutsche Lösung für den digitalisierten Freistellungsprozess von Importcontainern entwickelt.“ Erste Reedereien und Speditionen seien bereits im Pilotbetrieb angeschlossen. Die Nachfrage nach einer gemeinsamen deutschen Lösung spüren die Vorstände deutlich.
„Mit den Bremer Kollegen, der dbh Logistics, haben wir eine gemeinsame deutsche Lösung für den digitalisierten Freistellungsprozess von Importcontainern entwickelt.“
Echtzeitdaten werden wichtiger
Neben dem Trend der Datenbündelung steigt die Anforderung nach Echtzeitdaten, um eine Real-Time Transportation Visibility über die gesamte Transportkette zu erreichen. Auf der Hauptstrecke Luft/See spielt das Live-Tracking der einzelnen Sendung eine untergeordnete Rolle. „Da reicht es, das Flugzeug oder das Seeschiff zu tracken, sofern beispielsweise über Plattformen wie DAKOSY verlässlich bekannt ist, dass sich die Ware an Bord befindet“, ordnet Spark ein. Richtig spannend hingegen sei die Verfügbarkeit von Echtzeitdaten für den Vor- und Nachlauf, also zum Beispiel, wann eine Importsendung im See- oder Flughafen konkret ankomme und disponiert werden könne, meint Spark.
Ein Beispiel für beliebte Echtzeitdaten sind die Informationen zu den Schiffsankünften für den Hamburger Hafen. Diese erhält DAKOSY permanent aktualisiert vom Hamburg Vessel Coordination Center (HVCC), das für die Schiffskoordination rund um den Zu- und Ablauf im Hamburger Hafen verantwortlich ist. Das HVCC ist wiederum mit vielen anderen Häfen und Plattformen vernetzt und verfügt dadurch über eine extrem gute Datenbasis. Durch diese frühzeitigen Informationen, die DAKOSY über die IMP Import Message Platform verteilt, können die Seehafenspediteure kombiniert mit anderen Services der Plattform - wie zum Beispiel der automatisierten Verzollung - bis zu einem halben Tag Zeitersparnis in der Auslieferung eines Importcontainers erzielen. Außerdem könnten sie die Sichtbarkeit der Sendung für ihre Kunden deutlich erhöhen – ein klarer Anspruch von Industrie und Handel, erläutert Wrage.
Kundenbindung kontra Kollaboration
Inwieweit die Vernetzung von Plattformen tatsächlich umgesetzt wird, hängt auch maßgeblich von der Art der Informationen ab, um die es geht. „Wenn es einen gemeinsamen Kunden gibt und man sich durch die Zusammenarbeit in eine starke Konkurrenzsituation begibt, besteht die Gefahr des Verlustes der Kundenbindung, ähnlich wie bei LKW-Ladungsbörsen, und der Degradierung der Teilnehmer zu einem reinen Datenlieferanten“, grenzt Spark ab. Doch im Sinne des One-Stopp-Shopping gibt es auch sinnvolle Partnerschaften.
Ein Beispiel ist die International Port Community System Association (IPCSA), ein weltweiter Zusammenschluss von Port Community Systemen, der sich der Aufgabe gestellt hat, Statusinformationen für die Häfen zu standardisieren und auszutauschen. Hierzu gehören Meldungen wie „Schiffsankunfts- und Schiffsabfahrt“ und „Containerstatus“.
Integration von Infrastruktur- und Ladungsdaten
Schnellere und effizientere Transportprozesse sind auch durch die Integration von Ladungs- und Strukturdaten erreichbar. Hierzu gibt es gleich mehrere Entwicklungen bei DAKOSY. Im Hafen Hamburg ist kürzlich das Projekt SANTANA gestartet, bei dem DAKOSY und die Hamburg Port Authority (HPA) eine gemeinsame digitale Infrastruktur aufbauen wollen, zu der zum Beispiel ein ganzheitliches Verkehrsleitsystem, optimierte Ampelschaltungen oder eine Übersicht über die aktuellen Parkplatzkapazitäten im Hafen zählen.
Am Flughafen Frankfurt haben DAKOSY und die Flughafenbetreiberin Fraport die Cargo Community Plattform FAIR@Link und die automatische Kennzeichenerkennung Click-2-drive digital miteinander verbunden. Das Ergebnis: Die Schranken zur CargoCity Süd gehen an den Toren 31 und 32 automatisch für Fahrzeuge auf, für die in FAIR@Link ein bestätigter Slot zur Be- oder Entladung bei den Abfertigern vorliegt.
Die Kombination von Ladungs- und Infrastrukturdaten sei besonders hilfreich, wenn eine dedizierte Feinplanung des Logistikers dahinterstehe. So zähle beispielsweise jede Minute, wenn es um den Ladeschluss in der See- oder Luftfracht geht. „Wer in diesen Momenten über die richtigen Informationen verfügt, kann smarte Entscheidungen treffen“, sind sich die Vorstände einig.